Insolvenzanfechtung: keine Unentgeltlichkeit der Steuerzahlung bei „nur“ zweifelhafter Steuerpflicht
Dem Urteil vom 31.07.2025 (IX ZR 32/24) lag eine Insolvenzanfechtungsklage gegen ein Bundesland wegen Steuerzahlungen des Insolvenzschuldners zugrunde. Der Insolvenzschuldner, ein gemeinnütziger Verein, zahlte nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung für mehrere Mitarbeiter (Geschäftsführung und nahestehende Personen) Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer nach; den zugehörigen Festsetzungsbescheid focht der Verein nicht an. Im Folgejahr leistete der Insolvenzschuldner eine Umsatzsteuervorauszahlung auf die Vergütung für Leistungen eines Immobilienunternehmens beim Verkauf eines Grundstücks des Vereins, wobei das die Rechnung ausstellende, in der Schweiz ansässige Unternehmen erst zwei Tage vor Rechnungsstellung gegründet worden war. Nach Angabe des Umsatzes auch in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung wurde dieser veranlagt. Etwa 15 Monate später wurde auf Eigenantrag des Vereins das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen in Eigenverwaltung eröffnet. Der Sachwalter hat das beklagte Bundesland mit dem Argument, es handele sich um unentgeltliche Leistungen, auf Rückzahlung der vorgenannten Steuerzahlungen in Anspruch genommen.
Der BGH hat das teilweise klagestattgebende Berufungsurteil aufgehoben, soweit der Beklagte zur Rückzahlung der umstrittenen Umsatzsteuer verurteilt worden war.
Die Umsatzsteuerzahlung sei nach den Grundsätzen der Schenkungsanfechtung im Zwei-Personen-Verhältnis zu beurteilen. Der Insolvenzschuldner habe mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit erfüllt. Die Zahlung sei zudem als entgeltliche Leistung anzusehen. Zwar sei die Umsatzsteuer materiell-rechtlich nicht von dem Verein geschuldet gewesen, da eine inländische GmbH, nicht die Rechnungserstellerin, die Leistung erbracht habe und damit als Leistender im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen sei. Für eine Unentgeltlichkeit i.S.v. § 134 Abs. 1 InsO genüge es allerdings nicht, wenn der Schuldner erhebliche Zweifel am Bestehen der Umsatzsteuerschuld hatte. Entscheidend sei, ob der Schuldner durch eine eigene Steueranmeldung eine bei objektiver Betrachtung offenkundig und ohne ernsthafte Zweifel von der materiellen Rechtslage abweichende Zahlungsverpflichtung begründet habe.
Ferner habe das Berufungsgericht zu Recht entschieden, dass die Lohn- und Annexsteuern auf überhöhte Gehaltsbestandteile mehrerer Mitarbeiter keine unentgeltlichen Leistungen i.S.v. § 134 InsO seien. Maßgeblich seien abermals die Grundsätze der Schenkungsanfechtung im Zwei-Personen-Verhältnis. Die Leistung auf eigene Steuer- und Abgabenschulden, wie hier aufgrund der Lohnsteuerabführungspflicht des § 41a Abs. 1 EStG, sei als Erfüllung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen entgeltlich. Die Verbindlichkeiten seien zudem entgeltlich begründet worden, da sie materiell-rechtlich entstanden seien. Der Steuertatbestand des § 38 EStG sei mit der Zahlung des überhöhten Gehalts verwirklicht, auch wenn auf diese Teile des Gehalts kein Rechtsanspruch bestanden habe.
In Abgrenzung dazu hat der BGH wiederholt, dass auf ein bloßes Scheinarbeitsverhältnis gezahlte Lohnsteuer als unentgeltliche Leistung zurückzuzahlen ist. Denn Scheingeschäfte sind nach § 41 Abs. 2 Satz 1 AO nicht zu besteuern. Zudem sei Unentgeltlichkeit ungeachtet des Steuerbescheids deshalb anzunehmen, da der Schuldner an der Begründung der Steuerschuld mitgewirkt habe, indem er die Lohnsteuer in der Kenntnis, diese bei einem Scheinarbeitsverhältnis nicht zu schulden, angemeldet habe.