Wiedereinsetzung bei erwartbarem Hinweis des Gerichts auf unwirksamen beA-Versand
Dieser Beschluss (Az. VII ZB 16/24) betraf eine Klage u.a. auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich, die erstinstanzlich abgewiesen worden war. Bereits am Folgetag hatte der Kläger Berufung eingelegt; der Schriftsatz war durch einen Rechtsanwalt der den Kläger vertretenden Kanzlei einfach signiert und durch einen anderen Rechtsanwalt der Kanzlei über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht übersandt worden. Einen Tag später hat das Gericht dem in der Signatur genannten Rechtsanwalt den Eingang der Berufung bestätigt und das dortige Aktenzeichen mitgeteilt. Im weiteren Verlauf hat das Berufungsgericht die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß verlängert. Die Berufungsbegründung ist fristgerecht mit einfacher Signatur des vertretenden Rechtsanwalts von dessen beA-Postfach bei Gericht eingereicht worden. Sodann rügte die Prozessgegnerin, dass die Berufungsfrist wegen der fehlenden Identität von einfach signierendem und per beA einreichendem Rechtsanwalt nicht gewahrt sei. Zwei Tage nach Zustellung dieses Einwands bei dem Klägervertreter hat dieser Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt und erneut Berufung eingelegt.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, das den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen hatte, hat Erfolg gehabt. Die Berufungsentscheidung verletze den Kläger in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), so der Bundesgerichtshof.
Eingangs wiederholt der BGH seine bisherige Rechtsprechung, dass ein Schriftsatz, der wie vorliegend nur eine einfache elektronische Signatur eines Rechtsanwalts enthält und über das besondere elektronische Anwaltspostfach eines anderen Rechtsanwalts an das Gericht übermittelt wird, die Form des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO nicht wahrt. Die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach dieser Norm setzt entweder eine qualifizierte elektronische Signatur voraus oder eine einfache Signatur und gleichzeitige Übersendung durch den in der Signatur ausgewiesenen Rechtsanwalt.
Allerdings sei dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (in die versäumte Berufungsfrist) zu gewähren, denn er sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Ein etwaiges Verschulden seines Prozessbevollmächtigten sei nicht kausal für die Fristversäumung geworden, da das Berufungsgericht seine prozessuale Fürsorgepflicht verletzt habe. Der Umfang von Prüfungs- und Fürsorgepflichten des Gerichts sei stets im Einzelfall zu bestimmen. Die Gerichte seien zwar nicht verpflichtet, eingehende Schriftstücke stets sofort auf die Einhaltung der Formalien zu prüfen und auf Formmängel hinzuweisen. Allerdings dürften die Parteien grundsätzlich darauf vertrauen, dass Gerichte ihre Schriftsätze alsbald nach ihrem Eingang zur Kenntnis nehmen, offensichtliche Mängel entdecken und auf diese hinweisen. Werde ein solcher Hinweis nicht erteilt, müsse der betroffenen Partei Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Hinweis im ordentlichen Geschäftsgang so rechtzeitig zu erteilen war, dass die Partei noch innerhalb der Frist reagieren konnte.
Das hat der Bundesgerichtshof im entschiedenen Fall bejaht, da einfach und mit wenig Zeitaufwand zu prüfen sei, ob der beA-Transfervermerk einschließlich des „Vertrauenswürdigen Herkunftsnachweises“ eine elektronische Signatur des Versenders aufweise und der Schriftsatz über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sei. Dabei müsse auch geprüft werden, ob die das Dokument elektronisch signierende Person identisch mit dem Inhaber des verwendeten beA ist. Nach § 130a Abs. 2, Abs. 6 ZPO müsse das Gericht auf Mängel des Formats hinweisen; dabei auch auf die elektronische Signatur zu achten, stelle keine nennenswerte Belastung für das Gericht dar. Abweichungen in der Identität seien sowohl für Richter als auch für Geschäftsstellenbeamte ohne Weiteres erkennbar, was hier auch der Versand der Eingangsbestätigung zeige.
Der BGH erachtet für die äußere Prüfung des Transfervermerks eine Zeitspanne von zehn bis zwölf Kalendertagen als angemessen, was im entschiedenen Fall bei verbliebenen 30 Tagen der Berufungsfrist zweifellos für eine Wiedereinsetzung genügte.